Der
1. Tag
Endlich
steht der lang ersehnte Urlaub vor der Tür. Das Ziel, welches wir
Drei - Vera Seibel, Michael Nuffer beide auf BMW F 650, davon Michael als
Gespann) und ich (auf BMW R 850 R) – uns als Ziel für unsere Motorradtour
ausgesucht haben, heißt Pyrenäen! Heute am fingstsonntag (3.
Juni) ist Abfahrtstag und entsprechend chaotisch geht es zumindest bei
mir zu. Nachdem ich das Gepäck „irgendwie“ auf meiner Kiste festgemacht
habe, fahre ich vorsichtig bis zur Wohnung von Vera und Michael im Nachbarort
und hoffe dabei insgeheim, dass ich mich an die schwere Fuhre noch gewöhnen
werde. Ein prüfender Blick von Michael auf meine bepackte Maschine
und dann sein Kommentar: „So nicht!“ Mit Hilfe eines etwas längeren
Zurrgurtes macht er sich sofort daran, Ortliebtasche und Packsack rutschsicher
auf Soziussitz und Gepäckbrücke zu befestigen. Kunststück:
Als Experte mit viel Motorradurlaub-Erfahrung weiss er natürlich genau,
worauf es ankommt. Nach einem Espresso (während draußen ein
Schauer niedergeht) und letzten Handgriffen geht es Punkt 9.30 Uhr endlich
los.
Unser
heutiges Etappenziel ist Macon, ein gutes Stück nördlich von
Lyon gelegen. Das heisst: Nur Kilometerfressen auf der Autobahn - und ich
hasse Autobahnen! Da es recht kühl ist, nehmen wir die Leistung der
Heizgriffe in Anspruch. Trotz der dunklen Wolken links und rechts unserer
Strecke verschont uns weiterer Regen. Zunächst auf der A 61 unterwegs
wechseln wir angesichts des zu erwarteten Pfingstreiseverkehrs gen Süden
bald auf die französische, wesentlich geringer von Autos frequentierte
Rheinseite. Bei Tempi zwischen 110 und 130 km/h und beruhigenden 4 bis
5.000 U/min kommen wir gut voran. Einzig kurze Tank-, Pinkel-, Raucher
(Vera!) und Espresso-Pausen (meist eine Kombination aus Allem) sowie etliche
Péage- (= Maut-)Stopps auf den zahlreichen Aires (als Aire bezeichnet
man in Frankreich einen Rastplatz) unterbrechen die weitere Fahrt. Wir
fahren an Straßburg vorbei und passieren nach Verlassen des Rheintales
mit dem Schwarzwald zur Linken und den Vogesen zur Rechten die Städte
Mulhouse, Belfort und BesanÇon. Die auf der öden Autobahn aufkommende
Müdigkeit bekämpfen wir mit reichlich Espresso. Am dicht bewaldeten
französischen Jura vorbei biegen wir bei Dôle auf die E 26 nach
Süden Richtung Lyon ab. Irgendwann merken wir („Scheiß ADAC-Übersichtskarten!“),
dass wir „falsch“ sind, verlassen bei Beaurepaire-en-Bresse die Autobahn
und fahren auf gut ausgebauter Nebenstrecke quer über Land – hier
macht mir auch das Motorradfahren wieder Spaß! - über Louhans
bis Cuisery-Tournons und von dort an der recht breiten und noch nicht so
wie die deutschen Flüsse kanalisierten Saône entlang bis nach
Macon. Unser Etap-Hotel (empfehlenswerte Hotelkette, deren Häuser
preiswert und zudem verkehrsgünstig gelegen sind) ist nach Bewältigung
etlicher, aus dem französichen Straßenverkehr nicht wegzudenkender
Kreisel schnell gefunden. Doch schon wenig später schwingen wir uns
erneut auf unsere Kisten, um in der Stadt nach einer Lokalität zu
suchen, wo man die gute französische Küche genießen kann.
In einem kleinen Restaurant direkt am Ufer der Saône werden wir fündig
und lassen den Tag bei einem guten Glas Rotwein ausklingen.
Der
2. Tag
Um 8.30
Uhr nach dem Petit déjeuner (= Frühstück) starten wir
wieder. Bei strahlendem Sonnenschein und sehr starkem Seitenwind geht es
auf der E 15 weiter gen Süden. An den Monts du Beaujolais (wer kennt
nicht den guten „Roten“ von hier?) vorbei erreichen wir Lyon. Ich bin froh,
dass wir heil auf der Stadtautobahn durch den dichten Berufsverkehr kommen.
Das aridere (trockenere) Klima macht sich ab hier an der schon südländischeren
Vegetation links und rechts des Rhône-Tales bemerkbar: Beige Farbtöne
lösen das satte Grün des Nordens ab. Üppig bewachsen sind
lediglich die weit entfernten, aber gut erkennbaren Höhenzüge
des Massif Central sowie die Ufer der zahlreichen kleineren Bäche
und Flüsse, die wir queren. An unserer Stopp-Strategie vom Vortag
ändert sich (leider!) nichts: Für mein Gefühl viel zu selten
und zu kurz. „Kilometerfressen“ heißt die Devise – Michael ist absolut
gnadenlos! Bei Orange verzweigt sich die Autobahn und wir wechseln die
Richtung nach Südwesten. Ein sehr starker und heißer (!) Seitenwind
kommt von Norden, also in Fahrtrichtung gesehen von rechts und zerrt gewaltig
an den Krädern. Nicht umsonst werden hier insbesondere die Fahrer
von PKW mit Wohnwagenanhänger durch zahlreiche Schilder gewarnt. Insbesondere
auf den vielen Brücken oder bei Überholvorgängen muss man
höllisch aufpassen. Nimes, Montpellier, Beziers, Narbonne lassen wir
hinter uns. Weiter durch das Roussillon bis Perpignan. Bei Sête sehen
wir das erste Mal das Mittelmeer und wenig später in weiter Ferne
auch die Ausläufer der Pyrenäen! Die öde Landschaft links
und recht präsentiert sich karstig-hügelig, mit Macchiengestrüpp
und niedrigen Bäumen bewachsen, dazwischen zum Teil tief eingeschnittene
Erosionsschluchten. Ich kann kaum noch sitzen: Mein Hintern schmerzt und
alle Augenblicke stelle ich mich auf die Fußrasten, um die Gesäßmuskeln
zu entlasten. Dazu die mörderische Hitze, die ich in meiner sicher
mehr für nordische Breiten entwickelten Motorradkluft als besonders
unangenehm empfinde. Ich denke (und hoffe insgeheim!) aber, dass es den
beiden anderen vor mir auch nicht anders ergeht... Es hilft alles nichts:
Zähne zusammenbeißen und weiter! Endlich: kurz hinter Perpignan
setzt Michael den Blinker nach rechts und auf gut ausgebauter, z.T. zweispuriger
Straße erreichen wir Argelés-sur-Mer, quälen uns durch
die von den stinkenden Autos der Wochenendtouristen verstopften Straßen
und erreichen nach einigem Suchen und einigen „Verfahrern“ erschöpft
aber zufrieden unseren Campingplatz „Le Neptune“ bei Argelés-Plage.
Dort suchen wir uns ein schönes Plätzchen mit viel Grün
rundherum aus. Nach dem Zeltaufbau folgt als Highlight des Tages Michaels
Versuch, aus einigen Metern Stahlrohr und Stoffbahn einen brauchbaren Liegestuhl
zusammenzustecken. Unglaublich, welche Variationen möglich sind -
die meisten davon allerdings unbrauchbar. Vera und ich können uns
kaum halten vor Lachen. Ein Abendessen aus frischem Baguette, Wurst und
Käse, sowie zwei schönen Flaschen Rotwein lassen uns die Strapazen
des Tages vergessen!
4.
Tag
Nach
einem Strandvormittag sowie einer Kurztour auf der Küstenstraße
in die Pyrenäenausläufer Richtung spanische Grenze (u.a. auf
den Tour Madeloc) am Vortag wollen wir heute die Küste in die andere
Richtung erkunden und uns das Languedoc näher ansehen. Nach St.-Cyprien,
einem fürchterlichen, mit zahlreichen Appartmenthochhäusern zugebauten
Feriennest und dem diesen zum Verwechseln ähnlichen St.-Cyprien-Plage
erreichen wir den Etang de Canet et de St. Nazaire. Dabei handelt es sich
um einen See, der dadurch entstanden ist, dass vor langer Zeit die Küstenströmung
eine Meeresbucht mit Sandablagerungen abgeschnürt hat. Auf dieser
mit einer Art Schilf bewachsenen Landbrücke mit flachen Dünen
verläuft schnurgerade unsere Straße. Bei der Überquerung
eines schmalen Verbindungskanals zwischen See und Meer entdecke ich plötzlich
einen Löffler (einen großen Watvogel mit schneeweißem
Gefieder und breiten Schnabel) am Ufer. Ein Stück weiter fallen uns
seltsame, zwischen den Dünen stehende Hütten auf. Es handelt
sich um Fischerhütten, für die als Baumaterial - von den Schornsteinen
abgesehen - lediglich baumbusähnliches Schilfrohr verwendet wurde.
Nach kurzer Besichtigungsrunde zu Fuß fahren wir weiter über
St.-Laurent-de-la-Salanque, St. Hippolyte nach Fort de Salses. Dort nehmen
wir an einem geführten Rundgang durch das noch aus spanischer Zeit
stammende, sehr imposante und gut erhaltene Fort teil, bei dem man einen
guten Einblick in das Leben der damaligen Besatzung erhält. Nach einer
kleinen Erfrischung im Ortsinneren führt unsere schmale Route auf
der dank des groben Asphalts guten Grip bietenden, kurvigen D 12 durch
karstig anmutendes, mit krüppeligen Kiefern, Wacholder, Ginster und
anderen niedrig wachsenden Pflanzen bestandenes Gelände aufwärts.
Rechter Hand schroffe, felsige Steilhänge. Man meint fast, sich im
Hochgebirge zu befinden. Nur die große Hitze will hierzu nicht recht
passen. Oben erreichen wir eine Art Hochplateau. „Vingran“ – eine Tafel
weist darauf hin, dass wir uns auf Katharer-Gebiet befinden, einer Sekte,
die im Mittelalter von der katholischen Kirche intensiv verfolgt wurde.
Hier oben weht ein sehr starker Wind, der uns gewaltig beutelt und das
Fahren einer sauberen Linie erschwert. Dann schlängeln wir uns wieder
abwärts. Nur wenige Autos begegnen uns, die allerdings leider meistens
genau in den Kehren. Unten öffnet sich ein weites, intensiv landwirtschaftlich
genutztes Tal mit vergleichweise viel Grün. Tuchan und Paziols heißen
die nächsten Ortschaften. Kurz vor Estagel stoßen wir wieder
auf die breite und gut ausgebaute Nationalstraße, verlassen diese
aber in besagtem Ort wieder auf eine Nebenstrecke - vorbei an Montuer über
den Col de la Bataille nach Millas. Hier trinken wir den schon fast obligatorischen
Petit noir und über Thuir, Bages, Elne geht es zurück zu unserem
Campingplatz.
5.
Tag
Heutiges
Ziel ist das Massif du Canigou. Der erste Teil der Strecke entspricht dem
gestrigen Rückweg: Elne, Bages, Thuir und von dort nach Bouleternère,
wo wir auf die N 116 stoßen. Dieser folgen wir entlang des Flusses
Boules Richtung Andorra. Bei Prades biegen wir nach links ab und folgen
der schmalen Nebenstraße bis nach Vernet-les-Bains. Unterwegs fallen
uns zahlreiche, völlig vegetationsfreien Streifen auf, die die ausgedehnten
Kiefernwälder zerschneiden. Sie dienen zur Bekämpfung von Waldbränden.
Im darauf folgenden, wieder tiefer liegenden Örtchen versuchen wir
den Abzweig Richtung Canigou zu finden, was uns allerdings erst nach mehreren
Anläufen und nur dank Michaels zäher Verbissenheit gelingt. Die
Straße wird noch schmaler, kurvenreicher und schlängelt sich
durch niedrigen, aber üppig wuchernden Wald aus Kiefern, Flaumeichen,
Robinien und anderen Baumarten recht steil aufwärts. Nach geraumer
Zeit erreichen wir den Col (= Pass) de Jour (1.125 m). Hier ist für
mich Endstation, denn die Straße ist ab hier nur noch eine Schotterpiste,
die ich meiner Maschine nicht zumuten möchte. Michael und Vera beschließen,
noch weiter zu fahren, nach Möglichkeit bis zum Mariailles (1.718
m). Ich selbst schließe das Motorrad ab und mache mich auf den in
der Mittagshitze sehr beschwerlichen Weg zu Fuß zu einem Wachttum,
dem Tour de Goa. Der Ausblick von dort auf das Massif du Canigou, den Ort
Casteil sowie die dichtbewaldeten Berghänge und Täler ringsum
entschädigt jedoch für die Strapazen. Auf jeden Fall erweisen
sich die Motorradklamotten nicht als optimale Bekleidung für Bergtouren.
Ein Pärchen, dem ich auf dem Rückweg begegne, schüttelt
nur ungläubig den Kopf als es mich wahrnimmt (erst am Abend stelle
ich fest, dass das dicke Futter meiner Hose herausnehmbar ist!). Nur fünfzehn
Minuten nach meiner Rückkehr zum Motorrad stoßen auch Vera und
Michael wieder zu mir. Sie meinen, ich hätte da etwas „Großartiges“
verpasst. Auf dem Weg abwärts gerate ich in einer Linkskurve auf den
geschotterten Randstreifen und schmeiße meine Kiste fast um. Es gelingt
mir gerade so eben, sie noch abzufangen... In Vernet-les-Bains gönnen
wir uns ein Päuschen in einem Straßencafé. Die Rückfahrstrecke
wählen wir etwas anders: Über Corneilla-de-Conflent gelangen
wir nach Villefranche-de-Confluent, einem mittelalterlichen, mit einer
sehr gut erhaltenen Stadtmauer umgebenen Städtchen. Ein gut gewählter
Platz, angelegt an der engsten Stelle des tief in die Bergwelt eingeschnittenen
Tales der Tête. Zusätzlichen Schutz bot dem Städtchen früher
sicherlich das deutlich höher gelegene Fort Libéria. Nach einigen
Fotos fahren wir auf der N 116 bis nach Prades und biegen dann links ab,
um uns Eus anzuschauen, das uns bereits auf der Hinfahrt durch seine Bauweise
auffiel: Die Häuser wirken wie an einen halbkegelförmigen Berghang
angeklatscht. Die Kirche befindet sich auf dem höchsten Punkt. Wir
passieren Eus, allerdings wirkt die Ansicht von dieser Seite nicht annähernd
so imposant wie wir uns das vorgestellt hatten. Also fahren wir wieder
auf die N 116 zurück und dort mit hohem Tempo bis Bouleternére.
Dort biegen wir auf eine kleine Nebenstrecke ab, auf der eine Kurve die
nächste jagt. Es macht einen Heidenspaß, nur muss man höllisch
aufpassen, dass man von keinem der vereinzelten, meist die Kurven schneidenden
PKW erwischt wird. In Boule-d‘Amont können wir den kühlen Verlockungen
eines kleinen Restaurants nicht widerstehen und stoppen. Wir sind die einzigen
Gäste. Von der mit vielen bunten Blumen dekorierten, wunderschönen
Terrasse hat man einen herrlichen Blick auf die ganz mit Natursteinen gebauten
Häuser des winzigen Örtchens. Nach einer halben Stunde im Schatten
eines Sonnenschirmes fahren wir weiter. Zunächst noch aufwärts.
Rechts bzw. links fallen die Straßenböschungen steil ab. Beruhigend,
dass im Fall eines Falles kleine Natursteinmauern in den Kehren wenigstens
einen Absturz in die Tiefe verhindern würden... Interessant an der
Strecke ist wieder die Änderung in der Vegetation: Weiter unten und
an den Südhängen schütterer, niedriger Bewuchs aus Eichen
und Ginster. Je höher wir jedoch wieder kommen, desto dichter wird
er und desto besser das Höhenwachstum der Bäume. Korkeichen,
zum Teil frisch geschält, säumen die Straße. Ab und zu
tauchen einzelne Häuser oder winzige Ortschaften auf und wir fragen
uns, wovon die Leute hier leben? Wir vermuten „Wegelagerei“ und geben lieber
etwas mehr Gas. Rechter Hand hat es sich deutlich zugezogen, ein Gewitter
droht und wir drehen den Gasgriff ein wenig weiter auf. Wir haben jedoch
Glück und trocken erreichen wir Argelès-Plage, wo sich der
Himmel wieder wie gewohnt wolkenfrei präsentiert.
7.
Tag
Nach
einem eher ruhigen Vortag am Strand, den ich noch mit einem Kurzausflug
zu einem Naturschutzgebiet an der Techemündung (Réserve naturelle
du Mas Larrieu) „kröne“ (wobei ich an einer Brücke die Breite
der Maschine unterschätze und mir prompt den rechten Koffer an einer
Leitplanke verkratze), heißt es heute Abschied nehmen vom „Le Neptune“,
der uns doch ans Herz gewachsen ist. Früher als sonst stehen wir auf
und nach einer Tasse Kaffee packen wir Zelt und sonstige Utensilien zusammen,
verzurren alles auf den Motorrädern und ab geht die Post. Der Himmel
macht einen etwas trüben Eindruck: Hochnebel. Das erste Teilstück
kennen wir bereits: Elne, Bages, Thuir bis zur N 116. In Ille-sur-Tete
frühstücken wir erst einmal ausgiebig in einem Straßencafé.
Hinter Villefranche-de-Conflent stoßen wir in uns bislang unbekannte
Gefilde vor. Es herrschen mittlerweile ideale Fahrbedingungen – nicht zu
warm und nicht zu kalt - und außerdem lässt sich die Sonne jetzt
wieder häufiger sehen. Hinter Olette schwingt sich die komfortable,
mit griffigem Asphalt gebaute Straße in meist weiten Kurven – nur
ab und zu von engeren Kehren unterbrochen - aufwärts. Das Fahren ist
trotz der schwerbeladenen Kisten ein Genuß. Wir erreichen den Col
de la Perche (1.600 m), der mit mit einem alten Sperrfort garniert ist
und einen schönen Ausblick auf die La Cerdanya-Bergkette bietet. Nach
dem Passieren eines breiten Hochtals überqueren wir bei Buigcera die
spanische Grenze. Andorra umgehen wir (leider!) südlich. Auf der abwärtsführenden,
unspektakulären N 260 am ebenso unspektakulären La Seu d‘ Urgell
vorbei biegen wir hinter Arfa auf eine kleine kurvige Nebenstrecke ab,
auf der wir wieder schnell an Höhe gewinnen. Hier gibt es auch wieder
mehr Wald - meist Kiefern – hin und wieder unterbrochen durch große
Flächen mit gelbblühendem Ginster. Für die Augen nach dem
kargen Hochland eine echte Wohltat! Durch das viele Gucken links und rechts
falle ich immer wieder weit hinter den beiden Vorausfahrenden zurück.
Irgendwo zwischen Palerols und Sort hat Michael die Nase voll und bedeutet
mir, ab sofort die Spitze zu übernehmen. Anfangs ziemlich stinkig
füge ich mich letztendlich doch dieser Anordnung. Auf jeden Fall mache
ich so die Erfahrung, dass das „Führen“ mit Karte in einer unbekannten
Gegend ganz schön anstrengend ist. Mit einer im Vergleich zu vorher
jetzt sicherlich 10 bis 20 km/h geringeren Durchschnittsgeschwindigkeit
geht es weiter. Wir passieren Sort, Risalp, Llavorsi und La Guingueta auf
der breiten N 142. Bei Esterri d‘ Àneu erreichen wir ein schmales
Sträßchen, dass uns mit vielen Kehren vorbei an Tannenwäldern
aufwärts zum Port de la Bonaigua (2072 m) führt. Über einem
riesigen Parkplatz des hiesigen Wintersportgebietes kreist ein einsamer
Steinadler! Ab hier ändert sich das Wetter schlagartig: Es schüttet
wie aus Eimern und es ist ziemlich kalt! Die abschüssige Straße
ins Tal wird rutschig und in den Spitzkehren liegt Rollsplitt. Man muss
höllisch aufpassen! Ich fahre praktisch Schritttempo, zumal Visier
und Brille stark beschlagen und nur bedingt Durchblick gestatten. Schuhe
und Handschuhe sind längst „durch‘“, als wir Vielha erreichen. Dort
wärmen wir uns in einem von Bustouristen überfüllten Café
auf. Doch die Rast ist nur kurz, denn wir haben noch ein gutes Stück
vor uns. Die breite Straße durch das Val d’Aran verlassen wir kurz
vor Bossòst, um über den Col Portillon (1.320 m) abzukürzen.
Für mich eine Quälerei die kein Ende nehmen will, denn die kehrenreiche
Straße ist schmal, es regnet immer noch und der Nebel lässt
nur wenige Meter Sicht. Ich muss mit halboffenem Visier fahren um überhaupt
etwas erkennen zu können. Kurz nach Erreichen des höchsten Punktes
wechseln wir über die grüne Grenze nach Frankreich. In Bagnères-de-Luchon
fragen wir uns nach dem Abzweig zum Col de Peyresourde (1.569 m) durch.
Nachdem wir ihn gefunden haben, geht es wieder aufwärts. Straßen-
und Wetterverhältnisse gleichen denen der Strecke über den Col
Portillon auf’s Haar. Ich schwitze Blut und Wasser, erwarte ich doch jeden
Augenblick einen Sturz. Doch es passiert nichts. Nachdem wir den Pass hinter
uns gelassen haben, fahren wir durch das Neste de Louron-Tal bis Arreau
und von dort bis zu unserem Zeltplatz „Le Rioumajou“ in der Nähe von
St. Lary-Soulan. Der Zeltaufbau im Regen gelingt in Rekordzeit. Das geniale
Abendessen im wunderschönen Restaurant „La Grange“ ist genau das,
was wir nach diesem Tag brauchen.
9.
Tag
Die dunklen
Wolken des verregneten Vortages, den wir mit überwiegend mit dem Trocknen
unserer Klamotten am offenen Kamin des Aufenthaltsraumes verbracht haben
(für Vera die Gelegenheit, sich im Krisenmanagement zu üben ...)
sind am Morgen zwar immer noch da, aber dazwischen tauchen hin und wieder
blaue Farbtupfer auf. Unser heutiges Ziel heißt Cirque de Gavarnie,
den wir über den von der Tour de France her bekannten Col du Tourmalet
anfahren wollen. Doch um dorthin zu gelangen, müssen wir einen weiteren
Col, den Col d’Aspin (1.489 m), queren. Diesen erreichen wir über
eine schmale, kehrenreiche Straße, die zumindest mir einiges abverlangt.
Der Blick ins Tal ist grandios! Ziemlich geschafft komme ich oben an. An
der Tafel mit Namen und Höhe des Passes lassen sich Touristen und
Fahrradfahrer (!) ablichten. Die ebenso kurvige Abfahrt gestaltet sich
schon allein wegen der vielen Kuhfladen und stellenweise vorhandenem Rollsplitt
recht spannend. In Ste.-Marie-de-Campan biegen wir auf die Straße
zum Col du Tourmalet ab. Die Straße wird gerade für die bevorstehende
Tour de France vorbereitet, das heißt, dass mit Rollsplitt zum Ausbessern
der schadhaften Stellen wahrlich nicht gegeizt wird. Viele kleine und größere
Trupps von Rennradfahrern müssen überholt werden. Es geht steil
aufwärts. Wie weit es noch ist und wie stark die Steigung jeweils
ist, zeigen kleine Täfelchen am Straßenrand an. Leider fordern
Straßenbelag und Fahrradverkehr die ganze Aufmerksamkeit, so dass
ich die herrliche Landschaft ringsum nur sehr begrenzt genießen kann.
Weiter oben durchfahren wir einige Lawinengalerien. Der Rollsplitt liegt
hier besonders hoch. Endlich öffnet sich das enge Tal und wir gelangen
in den hässlichen Skiort la Mongie mit zahlreichen Souvenierläden,
Bars, Diskos – dazu Touristenbusse, Fahrradfahrer usw. ... Bloß schnell
durch hier! Nach weiteren zehn Minuten Fahrt endlich der Col du Tourmalet
(2.115 m), wo wir in einem kleinen Straßencafé einen Petit
noir genießen und uns über die Fahrradgruppen amüsieren,
die sich hier von Freunden fotographieren lassen. Wider Erwarten
stellt sich die Abfahrt auf der anderen Passseite als wesentlich angenehmer
heraus als die Auffahrt, denn Rollsplitt fehlt hier! Die Hochgebirgslandschaft
ringsum ist phantastisch. Ab St.-Sauveur-Luz fahren wir Richtung Süden.
Die gute Straße mit langen Kurven und griffigem Asphalt ist eine
wahre Wohltat! Bereits vom Ortseingang von Gavarnie hat man einen grandiosen
Blick auf den Cirque de Gavarnie, einem Talkessel, der halbkreisförmig
von mehreren, schneebedeckten Dreitausendern gesäumt wird. Zum Cirque
selbst kommt man von hier aus nur zu Fuß oder mit Eselkraft: Auf
einem Platz am Ortsrand stehen zahlreiche Eselskarren, deren Besitzer auf
zahlungskräftige Fahrgäste warten. Wir schenken uns das. Bei
einer kleinen Stärkung fassen wir den Beschluss, über einen kleinen
Pass nach Spanien und von dort in einem Bogen zurück nach St.-Lary-Soulan
zu fahren. Die Straße ist schmal, eine Kehre jagt die andere und
ab und zu liegt ein Schaf mitten auf der Fahrbahn. Plötzlich stehen
wir vor einer Schneefräse. Der Wind hat den Schnee im letzten Winter
mehrere Meter hoch auf der Straße aufgeweht – die Weiterfahrt unmöglich.
Nach einigen Minuten kehren wir um. In Gèdre trenne ich mich von
Vera und Michael: Sie wollen nach einem Abstecher zum Cirque de Troumouse
über den Col du Tourmalet wieder zurück. Ich entschließe
mich für die Rückfahrt über Argelès-Gazost, Lourdes,
Bagneres-de-Bigorre und Ste.-Marie-de-Campan. Eine sehr schöne, stressfreie
Route, die mich recht weit nach Norden und außerhalb der eigentlichen
Pyrenäen führt. Über den Col d’Aspin lasse ich mir richtig
Zeit und erreiche unseren Campingplatz am Abend eine halbe Stunde vor den
beiden anderen.
10.
Tag
Heute
wollen wir uns Geier in der Sierra de Guara in Spanien ansehen! Wir nutzen
den Tunnel de Bielsa, um über die Grenze zu gelangen und erreichen
ihn nach etwa zwanzig Kilometern hinter St.-Lary-Soulan. Die miese Motorradbeleuchtung
macht seine Durchquerung zu einem echten Abenteuer. Auf der anderen Seite
führt die breite Straße entlang des Rio Cinca stetig abwärts.
Hinter Salinas de Sin wird die Vegetation spärlicher: Wir befinden
uns im Regenschatten der Pyrenäen. Nach einer kleinen Erfrischung
in Ainsa (wo wir Zeuge werden, wie einige Motorradfahrer von der örtlichen
Polizei um etliche Pesetas erleichtert werden, nur weil sie auf der Straße
verbotswidrig gedreht haben) führt uns der Weg weiter nach Süden.
Recht spät – wir haben gerade den türkisfarben in der Sonne funkelnden
Embalse de Mediano, einen riesigen Stausee, links hinter uns gelassen –
stellen wir fest, dass wir so nicht in die Sierra de Guara kommen. Also
zurück! Von Ainsa aus biegen wir nach Osten ab und verlassen das Rio
Ara-Tal. Kurz hinter Boltaña geht es dann aufwärts in die Sierra.
Es handelt sich um eine Hochebene, schütter mit niedrigen Kiefern
bewachsen und von zahlreichen Schluchten zerschnitten. Es ist sehr einsam
hier: Einmal begegnet uns eine Fahrradtruppe und auch die Autos kann man
an einer Hand aufzählen. Die wenigen ausgeschilderten, abseits gelegenen
Ortschaften sind nur über Schotterpisten zu erreichen. Immer wieder
schaue ich zum Himmel, um vielleicht einen Geier zu entdecken, aber zunächst
tut sich nichts. Einmal wischt eine riesige Smaragdeidechse über die
Straße. Dann endlich – hinter Villobas – sehe ich die gesuchten Vögel
am Himmel: Mehrere Bartgeier, begleitet von Milanen, ziehen direkt über
der Straße ihre Kreise. Wir halten und machen etliche Fotos, bevor
wir weiterfahren. Die Eintönigkeit der Landschaft ermüdet. Nach
siebzig Kilometern durch die Sierra erreichen wir die N 330, auf der wir
mit Höchstgeschwindigkeit gen Norden bis Sabiñanigo düsen.
Dort stillen wir unseren Durst und Hunger in einer typischen spanischen
Kneipe. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass hier der Fußboden die
Funktion eines Abfalleimers und Aschenbechers übernimmt. Frauen scheinen
selten zu den Gästen zu gehören. Entsprechend unwohl fühlt
sich Vera unter den glotzenden Augen der Kneipenbesucher. Weiter geht es
nun auf der N 260, die bis Biescas schnurgerade verläuft und dann
nach Osten abzweigt. Ab hier wechseln sich wunderbare weite Kurven mit
engen Kehren ab, zeitweise unterbrochen durch kleine Tunnel, mal auf- und
dann wieder abwärts. Die Schönheit der Strecke hat sich offenbar
auch bei anderen Bikern herumgesprochen, denn es begegnen uns mehrere Trupps
offenbar geführter Touren. Bei Broto erreichen wir den Rio Ara, dessen
Lauf wir nun folgen. Am Straßenrand immer wieder verlassene Ortschaften.
Die aus Naturstein gebauten, z.T. mit großen Steinplatten gedeckten
Häuser sind größtenteils bereits verfallen. Diese Gegend
soll während des Spanischen Bürgerkrieges hart umkämpft
gewesen sein. Bei Boltaña schließt sich unser Tourenkreis
wieder und auf bekannter Strecke streben wir der französichen Grenze
zu. Ich lasse Vera und Michael vorausfahren, um mir mehr Zeit für
die Landschaft zu nehmen. Den Tunnel de Bielsa durchquere ich hinter einem
Autotransporter, weil dessen Scheinwerfer die Fahrbahn wesentlich besser
ausleuchten als die „Funzel“ meiner BMW. Auf der französischen Seite
schaue ich mir noch eine gut erhaltene alte Templerkirche aus dem 12. Jahrhundert
an, bevor ich die letzten Kilometer zum Campingplatz zurückfahre.
11.
Tag
In der
Nacht gab es ein starkes Gewitter, doch zum Glück haben die Zelte
dichtgehalten und als ich aufstehe, scheint die Sonne aus allen Knopflöchern.
Eigentlich soll heute Ruhetag sein. Doch nach einer Weile, die ich zur
Materialpflege nutze, wollen wir das gute Wetter doch noch zu einem Kurztrip
in das Réserve Naturelle Néonville im gleichnamigen Massif
nutzen. Dort sollen sich laut Karte ein paar Seen befinden. Also los! Ab
Fábian zweigt ein kleines Sträßchen von der D 929 ab,
flankiert von dichtem Wald, nur hin und wieder aufgelockert durch lichtere
und mit vielen blühenden Blumen und Sträuchern bestandene Flächen.
Vor allem das in den Kurven liegende Geröll zwingt zu höchster
Aufmerksamkeit. Die Straße schlängelt sich durch ein anfangs
sehr enges Tal aufwärts. Erst oben weitet es sich und vereinzelt grasen
Schafe. An einer Kreuzung treffen wir ein älteres Schweizer Pärchen
auf einer fetten BMW LT. Sie meinen, dass sich ein Abstecher zum Stausee
nicht lohnen würde. Ob sie hier mit ihrem Dickschiff Probleme hatten?
Wir entscheiden uns trotzdem für den Stausee und werden nicht enttäuscht:
Die Straße verläuft zunächst hangparallel mit schwacher
Steigung. Atemberaubend der Blick in die Tiefe zur Rechten und auf die
riesige Staumauer weiter oben. Das große Finale folgt in Form zahlreicher
und nicht enden wollender Kehren bis zu einem Parkplatz an der Staumauer.
Das Panorama hier oben ist phantastisch: Ringsum steile und schneebedeckte
Berge und dazwischen der große Lac de Cap-de-Long. Bei einem Kaffee
mit leckeren Crêpes au miel erinnern wir uns, die grandiosen Kehren
bereits auf Postkarten in St. Lary gesehen zu haben. Michaels Versuch,
den Stausee zu umrunden, endet bereits nach einem Kilometer Fahrt an einem
Bergrutsch, der den Schotterweg versperrt. Wir entschließen uns,
auch die von den Schweizern empfohlene Strecke auf der anderen Seite zu
befahren. Auch hier wieder viele Kehren und keine Sicherung. Linker Hand
entdecken wir im Tal einige traumhafte, türkisfarbene Naturseen. Der
Wald besteht hier ausschließlich aus überalterten Kiefern, wovon
die Hälfte bereits abgestorben ist. Der intensive Weidebetrieb verhindert
wirkungsvoll, dass sich die dringend notwendige Naturverjüngung (=
Baumnachwuchs) einstellt. Irgendwann und viel weiter oben endet die Straße
auf einem Naturparkplatz mit vielen Autos und lärmenden Touristen,
den wir schleunigst wieder gen St. Lary-Soulan verlassen ...
13.
Tag
Nach
getrennt verbrachtem Vortag (Vera und Michael ließen es sich u.a.
nicht nehmen, einige der bereits von der Hinfahrt nach St. Lary-Soulan
bekannten Cols erneut anzufahren; ich besuchte das interessante Musée
du béret in Nay mit angeschlossener Fabrik, in der die bei uns als
„typisch“ französisch geltende, auch unter dem Namen „Baskenmütze“
bekannte Kopfbedeckung hergestellt wird) geht es heute zur Abwechslung
wieder gemeinsam weiter, und zwar in Richtung unseres letzten Campingetappenziels
am Atlantik. Unser netter Nachbar, ein Deutsch-Franzose, erscheint mit
seiner Mischlingshündin „Belle“ und winkt uns zum Abschied nach. Ab
Arreau führt uns der Weg über den bekannten Col d‘ Aspin bis
St.-Marie de Campan. Mir graust es schon vor dem Col de Tourmalet und dem
vielen Rollsplitt. Jedoch läuft es dieses Mal besser als gedacht.
Im oberen Bereich haben wir dafür mit dem starken Wind zu kämpfen.
In einer Kehre hinter la Mongie wird Vera fast gegen ein entgegenkommendes
Fahrzeug gedrückt. Ganz schlimm ist es oben auf der heute verwaisten
Passhöhe. Hier weht ein richtiger Sturm, der kleine Steinchen und
Erde wie ein Sandstrahlgebläse über die Straße und gegen
meine Maschine fegt. Stellenweise liegt das Material mehrere Zentimeter
auf der Fahrbahn. Ich habe richtig Angst, aber irgendwie muss ich da runter.
Vera und Michael sind bereits fort. Irgendwann überwinde ich mich
aber doch und „krieche“ im ersten Gang die ersten Kehren abwärts.
Dann ist das Schlimmste überstanden. Bis hinab ins Tal heißt
es trotzdem höllisch aufpassen, denn die Böen sind immer noch
sehr kräftig. Erstaunlich, wie wenige Autos heute hier unterwegs sind
... Die beiden anderen sind ebenfalls heil über den Pass gekommen
und erwarten mich schon. In Esquièze-Sère frühstücken
wir erst einmal ausgiebig, bevor Michael wieder zum Aufbruch drängt.
Durch das belebte Argelès-Gazost und Aucun führt die Strecke
nach Arrens-Marsons. Von hier geht es aufwärts zum Col de Soulor (1.474
m). Oben halten wir auf einem Parkplatz und genießen die traumhafte
Aussicht auf die riesigen Almen, die sich ringsum erstrecken. Überall
weiden kleine Schaf- und Rinderherden. Die Weiterfahrt verzögert sich
allerdings, weil eine Rinderherde, gefolgt von einer Schafherde die Straße
blockieren. Erst ein von den begleitenden Hirten zur Verstärkung herbeigeholter
Hund schafft es, diese zum Weiterziehen zu bewegen. Über Kilometer
verläuft die Straße fast hangparallel mit sanfter Steigung aufwärts.
Das von Vera und Michael bevorzugte höhere Tempo führt dazu,
dass sie schon bald wieder meinen Blicken entschwunden sind. Ich hingegen
kann mich gar nicht von den grandiosen Ausblicken losreißen. Plötzlich
entdecke ich vielleicht ein Dutzend riesiger Vögel, die am Himmel
ihre Kreise ziehen. Meine Vermutung, dass es sich um Geier („Vouchon royal“)
handelt, wird eine Kurve weiter von mehreren Ornithologen bestätigt,
die die Tiere von dort beobachten. Kurze Zeit später sind wir auf
dem Col d‘ Aubisque (1.709 m) angekommen. Von da ab geht es wieder abwärts.
Gespenstisch das jetzt im Sommer wie „ausgestorben“ wirkende Gourette,
ein reiner Wintersportort. Da bietet der weiter unten gelegene Kurort Eaux-Bonnes
mit seinen vielen alten Prunkbauten aus dem Ende des 19. Jahrhunderts einen
weitaus schöneren Anblick! Irgendwann erreichen wir die D 934 und
folgen dem Vallee d‘ Ossau. Die Suche nach einer Tankmöglichkeit erweist
sich als problematisch: Erst bei der dritten Tankstelle werden unsere Kreditkarten
akzeptiert! Bei Pau verlieren wir erneut viel Zeit bis wir die richtige
Auffahrt zur Autobahn gefunden haben, die uns weiter nach Westen bringen
soll. Michael ist ziemlich sauer über die Zeitverzögerung und
gibt auf der A 64 ordentlich Gas. Auch ein Regenguss auf halber Strecke
zwischen Pau und Bayonne kann ihn nicht bremsen. Endlich – es ist mittlerweile
17.30 Uhr – erreichen wir Bidart an der Côte d‘ Argent, aber erst
nach Befragung einer Passantin gelingt es uns, den direkt am Atlantik gelegenen
Campingplatz „Le Pavillon Royal“ zu finden. Wir bekommen einen Platz (Nr.
288) unter riesigen Strandkiefern (Pinus maritima) zugewiesen, für
deren Schatten spendende Wirkung wir später noch sehr dankbar sein
werden. Nach dem Zeltaufbau und einer kleinen Mahlzeit auf der Terasse
des zum Campingplatz gehörenden Restaurants unternehmen wir noch einen
kleinen Spaziergang an den Strand, wo etliche Brandungsangler ihr Glück
versuchen.
16.
Tag
Nach
zwei mehr oder weniger verregneten (Krisen-)Tagen, die wir z.T. im Zelt
verbringen, aber auch für zwei Besichtigungsfahrten (eine davon mit
dem Bus) ins benachbarte Seebad Biarritz mit seiner sehenswerten Strandpromenade
nutzen, wollen wir heute das Baskenland erkunden. Erstes Ziel ist die Grotte
de Sare, eine prähistorische Wohnhöhle, die wir auf schlechten,
engen und kurvigen Straßen erreichen. Dort schließen wir uns
einer spanischen Reisegruppe an. Einige wichtige Informationen werden für
uns ins Französische übersetzt und so erfahren wir, dass die
riesige Höhle zunächst von Höhlenbären, dann von Neanderthalern
und schließlich dem Homo sapiens bewohnt war und zuletzt sogar einem
Frankogegner Zuflucht geboten hat. Nach dem Mittagessen geht es weiter
zur La Rhune, dem Nationalheiligtum der Basken (900 m). Dabei durchfahren
wir einige wunderschöne baskische Ortschaften. Es fällt auf,
dass die Vorgärten vieler Fachwerkhäuser mit hochgestellten Steinplatten
umzäunt sind. Wir haben Glück: Kaum sind wir auf dem knallvollen
Parkplatz an der Talstation angekommen, erwischen wir eine aufwärts
fahrende Zahnradbahn. Die Trasse schmiegt sich eng an die zumeist kahlen,
nur von Ginster, Wacholder und einer an Drahtschmiele erinnernden Grasart
bewachsenen Berghänge. Nur an wenigen Stellen haben sich kleinere
Reste der ursprünglichen Waldvegetation aus Buche und Eiche erhalten.
Dazwischen sind einige Kiefernaufforstungsflächen zu erkennen. Langsam
– man könnte fast nebenher laufen – geht es aufwärts. Die Berggrate
zur Rechten bestehen aus schroffen Felsen. Am Himmel ziehen einige Geier
ihre Kreise. Zum Ende der Fahrstrecke nimmt die Steigung extrem zu. Auf
dem Gipfel befinden sich eine Sendestation der France Telecom sowie ein
Restaurant. Trotz der Besuchermassen genießen wir den wegen des Dunstes
leider nur eingeschränkten Fernblick auf die Atlantikküste mit
der Côte d‘ Argent und die Pyrenäenausläufer, bevor wir
wieder die Rückfahrt antreten. Auf dem Campingplatz angekommen, verbringen
wir den Rest des Tages mit Schwimmen und Sonnenbaden am Strand.
19.
Tag
Nach
zwei beschaulichen Tagen, die wir mit Sonnenbaden am Strand, einer Fahrt
ins benachbarte, wirklich sehenswerte St. Jean de Luz und – was Vera und
Michael betrifft - für einen Trip ins französische-spanische
Grenzgebiet verbracht haben, geht es heute wieder gen Heimat. Nach einer
Tasse Nescafé und zwei Schokocroissants fahren wir Punkt 10.00 Uhr
los. Die autobahnähnliche Nationalstraße N 10 (A 63) verläuft
schnurstracks Richtung Norden. Die endlosen Strandkiefernwälder der
Landes ziehen sich links und rechts der Strecke hin, nur ab und zu von
riesigen Maisfeldern unterbrochen. Kurz vor Bordeaux ist noch deutlich
zu sehen, was der Sturm („Lothar“) vor zwei Jahren in diesem Landstrich
alles angerichtet hat. Ansonsten gestaltet sich die Fahrt als recht ereignislos,
geht es doch immer nur geradeaus, bei Tempo 120 bis 130 km/h und Drehzahlen
zwischen 4 und 5.000 Touren. An Poitiers vorbei führt unser Weg bis
Orléans. Hier wollen wir übernachten. Unsere Versuche, freie
Zimmer in einem Hotel der Etap- oder Formule-1-„Klasse“ zu ergattern, scheitern
allerdings kläglich: Alles belegt. Also müssen wir weiter. Wir
sind alle ziemlich geschafft und entsprechend gelaunt. Per Handy gelingt
es Vera glücklicherweise, im 150 km entfernten Auxerre eine Übernachtungsmöglichkeit
zu organisieren. Michael, der vornweg fährt, findet erst nach mehreren
Anläufen die richtige Ausfallstraße aus Orléans. Auf
der gut ausgebauten D 952 folgen wir dem Loiretal über Châteauneuf-sur-Loire,
Bien und Briare. Der dichte Feierabendverkehr trägt nicht gerade zur
Besserung unser Laune bei. Die vielen LKWs verleiten Michael zu einigen
waghalsigen Überholmanövern mit dem schwerbeladenen Gespann,
die mir das Blut stocken lassen. Man merkt, dass er genervt ist und so
schnell wie möglich ins Hotel kommen will. Bei Bonny sur Loire biegen
wir auf die D 965 ab. Es ist mittlerweile merklich kühler geworden.
Die Straße ist frei und das Fahren durch die hügelige Landschaft
macht hier wieder richtig Spaß: Lange Kurven, viel Wald und saftige
Wiesen ringsum. Zügig kommen wir voran und kurz vor Einbruch der Dunkelheit
stehen wir vor „unserem“ Hotel, einem jeder Beschreibung spottendem und
nicht weiterzuempfehlenden Formule-1-Bau unweit der E 15/E 60. Kleinere
Meinungsverschiedenheiten über die morgige Strecke die Pausenregelung
(Vera und Michael wollen unbedingt die Autobahn benutzen und lediglich
zum Tanken kurze Stopps einlegen, ich hingegen möchte lieber auf den
Nationalstraßen bleiben, um noch etwas von der Landschaft zu sehen
und bestehe zudem auf häufigere Pausen) beim Abendessen in einem netten
Restaurant legen wir allerdings schnell wieder bei. Lagerkoller?
20.
Tag
Der Wecker
hat nicht geklingelt und so kommen wir erst um 9.30 Uhr los. Leider verfahren
wir uns bei dem Versuch, die D 965 zu finden und landen auf der N 77. So
schlecht ist dieser Faux-pas allerdings gar nicht, denn die Straße
verläuft durch eine weite, sanft gewellte Landschaft mit großen
landwirtschaftlichen Flächen. Etwas zum Cruisen. Zu einer Zitterpartie
wird die Suche nach einer Tankstelle. Bei allen Dreien von uns leuchten
längst die Kontrollleuchten. Elegant lösen wir das Problem, in
dem wir viele Kilometer wieder zurückfahren ... Bei Troyes stoßen
wir dann auf die von Michael herbeigesehnte Autobahn. Dort geht es mit
entsprechend forciertem Tempo der Heimat zu. Metz ist die letzte größere
französische Stadt, die wir passieren. Und schneller als es uns lieb
ist werden wir auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt: Das gehäufte
Auftreten von Baustellen und der Flickenteppich auf der Fahrbahn zeigen,
dass wir uns wieder auf deutschem Territorium befinden. Um 17.30 Uhr stehe
ich vor vor meiner Haustür – eine erlebnisreiche Motorradtour ist
nach genau 4938 Kilometern, vielen Kurven, Cols und einigen (von uns aber
locker gemeisterten) Krisen (leider!) zu Ende.
Facit: Eine Tour, die jedem Biker empfohlen werden kann!
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So nicht! Neu packen!
So ist's richtig: Es kann losgehen.
An der AB-Abfahrt A39
Beavre-paire-en-Press
Abendstimmung an der Saóne
"Petit noir" an der A9 zwischen
Orange und Nimes
Campingplatz "Le Neptune"
in Angelés-Plage
Im Hafen von Port-Vendres
Michael und Verauf auf der
Hafenmole von Port-Vendres
Leuchtturm am Caü Béar
Rast auf dem Weg zum
Tour Madeloc
Endstation auf dem Tour Madeloc
Nebel zieht auf am Tour Madeloc
Vor dem Forberesse de Salses
Forberesse de Salses
Festungsgraben
Im "Languedoc"
"Le Neptune" / Anglés-Plage
Blick auf das Massif du Canigou
(Stop an der N115)
Stop irgendwo auf dem Weg
zum Massif du Canigou
Eus, unweit der N116
Eine kline Erfrischung im
Boule-d'Amore (D618)
Aufbruchstimmung...
Rast zwischen La Seu d'Urgell
und Pallerols (Spanien)
Wo geht's weiter?
Klamotten trocknen am
offenen Kamin
Auffahrt zum Col d'Aspin
Col d'Aspin
Cirque de Gavarnie - wo die
Pryrenäen am höchsten sind
...noch höher zum Port Gavarnie
Endstation! Zum Port de Gavarnie
fehlen nur noch 100m
Bis zum Gavarnie ist es noch
ein gutes Stück
Kurven räubern!
Zwischen Port de Gavarnie
und Gavarnie
Hier stoppt sond die
Tour de France
Weit im Süden an der N138
unweit Samitier
Hier tobte der
Spanische Bürgerkrieg
der Autor
Nichts geht mehr...
...Zwangsstop auf dem
Col de Soulor
Postkartenstimmung! Aber der
Skitourismus hinterläst seine
Spuren
Geschafft:
Col d'Aubisque - 1709m
Gut aufgehoben auf dem
"Le Pavillon 0Royal"
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